Spargelstechen im Selbstversuch

Carsten Henning, 49, ist Unternehmer im Gastgewerbe. Ein Bereich, den der Shutdown des öffentlichen Lebens besonders hart trifft. Trotzdem hat er genügend zu tun im Moment. Das hat ihn nicht davon abgehalten sich über unsere Plattform als Helfer anzumelden und einen Betrieb zu suchen, wo er zwei Tage lang beim Spargelstechen helfen kann. Hier sein Erfahrungsbericht, der zuerst auf Hottelling veröffentlicht wurde.

04:40h
Ungewohnt, so früh aufstehen zu müssen. Noch vor dem ersten Hahnenschrei! Aber sei’s drum. Ich starte einen Selbstversuch als Spargelernte-Helfer. Um 6:30h muss ich auf dem Feld stehen. Einfach weil ich das schon immer einmal ausprobieren wollte. Und weil mich das Portal www.daslandhilft.de inspirierte. Und weil die Bundeslandwirtschaftsministerin dazu aufgerufen hat: Wer in der Gastronomie jetzt ohne Arbeit sei, könne ja in der Landwirtschaft mit anpacken, da werden dringend Helfer benötigt!

06:00h
Spargelhof Schäfer bei Wiemersdorf, 50km nördlich von Hamburg: Minus drei Grad. Frischer Wind. Aber es verspricht, ein großartiger Tag zu werden! Hier gelten penible Hygieneregeln: Mindestens 2m Abstand zu allen! Keine Berührungen. Ich reihe mich in der Runde der Erntehelfer aus Rumänien ein: Spezialkräfte, die noch vor der Grenzschließung eingeflogen werden konnten. Hier bin nur der Rookie mit weichen Händen…

Hier war ich: https://www.spargelhof-schaefer.de/

06:30h
Mein Vorarbeiter, mein ganz persönlicher “Spieß”, weist mich ein: Linke Hand am Karren mit Spargelkisten, die rechte Hand hält Spargelmesser und Kelle. 300 Meter Spargeldamm auf der einen Seite hin, auf der anderen Seite zurück – das ist mein Arbeitsziel für heute.

06:45h
Erst darf ich noch langsam ran, mit Bedacht die drei Schutzplanen abziehen – zunächst auf einer Länge bis zu zwölf Metern. Modrig-warme Luft schlägt mir entgegen: Die Planen schützen den aufgeschütteten Erddamm, in dem die Spargelpflanzen reifen. Ein bisschen Kraftanstrengung ist nötig, um die Planen umzuschlagen. Aber mit Bedacht: Herausstehende Spargelstangen sollen dabei nicht abbrechen!

Infos zur Spargelernte:
http://www.spargelseiten.de/spargelernte.html
https://www.bzfe.de/inhalt/spargel-erzeugung-5862.html

07:30h
Die Arbeitsabläufe muss ich mir genau einprägen: Mit zwei Fingern in V-Form die Erde an der Spargelstange aufgraben. Zwei Finger breit Abstand messen: Hier das etwas gebogene Spargelmesser muss ich gerade ansetzen, etwas überstrecken und bis zur Markierung in die Erde stechen, dann nach hinten biegen und dann mit möglichst genau 22cm Länge die Spargelstange tief in der Erde abschneiden. Leichter gesagt als getan. Ich treffe die Spargelstangen tief in der Erde nicht, steche daneben, hebele rum, grabe nach…

08:30h
Nach zwei Stunden Übung spüre ich die ungewohnten Bewegungen: Mit einer Hand die schweren Planen umschlagen, über die Stangen beugen und mit Gefühl abschneiden. Es ist ein Glücksgefühl, als ich in leichten Erderhebungen grabe und versteckte Spargelstangen finde! Und noch glücklicher bin ich, wenn es mir gelingt die dicken Stangen unbeschadet und in der gewünschten Länge vorsichtig ohne allzuviel Druck herauszuziehen.

Ideal sind Spargelstangen der Güteklasse I mit 22cm Länge
Mehr dazu: https://www.bzfe.de/inhalt/spargel-kennzeichnung-5876.html

10:00h
Bis zur Mittagspause ist noch viel Zeit. Ich übe fleißig weiter, will alles geben. Lob vom “Spieß”: Gar nicht mal schlecht… Das ist Ansporn genug! Aber mal ehrlich: Mit ein paar wenigen Stangen im Korb kann ich nicht glänzen – die Profiernter beweisen sich als effiziente Spezialkräfte – ihre Körbe sind bereits bis zur Hälfte gefüllt.

Kurz vor 12:00h
Ich freue mich aufs Mittagessen: Apetito-Lunchbox mit Gulasch und Nudeln. Lecker!

Nur mal eben kurz helfen wollen hilft den Spargelanbauern nicht. Gefragt sind erfahrene Fachkräfte, die auch an sechs Erntetagen je Woche durchhalten, von 6 bis 18 Uhr!

13:15h
Die Schonzeit ist vorüber: Deutliche Ansage ist nun, den Rest meiner Reihe zu schaffen. Frisch ans Werk!

14:30h
Bin schon geübter. Schwung beim Planenabdecken, nur noch wenige Fehlschnitte. Klappt schon besser. Aber noch bin ich weit vom Normalmaß entfernt. Ein Seitenblick zu den Vorbildern aus Rumänien zeigt mir, wie laienhaft und langsam ich doch bin…

15:00h
Sonne satt, ich schwitze. Und das gleißende Sonnenlicht blendet stark, wird von den hellen Schutzplanen reflektiert. Wieder etwas gelernt: Mütze tragen, mit Sonnenschutz eincremen und Sonnenbrille mitnehmen!

15:30h
Kontrolle: Ich mache Meter, mein Korb füllt sich. Doch noch noch habe ich Dutzende Arbeitsgänge vor mir: Planen auf rund zwölf Metern umschlagen, nach Spargelstangen graben, vorsichtig stechen, Länge kontrollieren, Planen wieder umschlagen. Jeder Gang muss mit bestimmten Tätigkeiten eingeübt sein.

16:00h
Für die letzten Meter kommt Hilfe: Ein Kollege aus Rumänien packt mit an, zeigt mir wie schnell es gehen kann… Danke!

17:30h
Bilanz von meinem Arbeitstag: 9,7kg Spargel geerntet, immerhin. Die Spezialkräfte allerdings haben 50kg geschafft!

Wer das nachmachen möchte, wer wirklich mit anpacken will, muss genügsam sein, hart arbeiten und Durchhaltewillen zeigen!

19:30h
Zuhause am Küchentisch: Durchgeschwitzt, verdreckt, Drücken im Rücken, Ziehen in den Beinen. Dieser Erntetag hatte es in sich!